Digital und trotzdem nah: Warum die Sparkasse Bremen bei ihrer Unternehmensstrategie auf einen CDO setzt

Als erstes Mitglied der Sparkassen-Finanzgruppe berief die Sparkasse Bremen im Herbst 2020 Pranjal Kothari als „Chief Digital Officer“ (CDO) in den Vorstand. Einen „klassischen“ Vorstand für IT-Themen gibt es somit nicht mehr. Denn wichtiger als passende Server sind heutzutage passende digitale Angebote und Dienstleistungen.

Pranjal Kothari ist seit Herbst 2020 als „Chief Digital Officer“ Teil des Vorstandes der Sparkasse Bremen. Foto: Michael Ihle / Copyright: Sparkasse Bremen

„Banken entwickeln sich seit Jahren immer mehr zu Technologieunternehmen“, sagt Dr. Tim Nesemann, Vorsitzender des Vorstandes. „Wenn sie diesen Weg nicht mitgehen, endet ihr Geschäftsmodell irgendwann in einer Sackgasse.“ Darum stellt sich die Sparkasse Bremen bereits seit einigen Jahren strategisch neu auf, wandelt sich vom Konto- und Vermögensverwalter zum Dienstleister rund um Finanzen. „Das erfordert ein Umdenken aller Mitarbeitenden und ein Umsteuern der Organisation“, weiß Nesemann.

Was unterscheidet einen CDO von einem IT-Vorstand?

Diese Transformation zu ermöglichen, erfordert weniger IT und viel mehr Nachdenken über Mehrwerte für Kundinnen und Kunden, sprich der Kundennutzen muss im Mittelpunkt stehen: „Wir stehen einerseits vor der Herausforderung, unsere Prozesse konsequent zu digitalisieren. Andererseits dürfen wir dabei die Nähe zu den Kundinnen und Kunden nicht verlieren“, sagt Pranjal Kothari. Denn „digital“ bedeute nicht, einen bestehenden Prozess von Papier auf den Computer zu übertragen, warnt Kothari: „Dann haben sie im Zweifel einen schlechten Prozess, der im besten Fall nur schneller ist.“

Wichtiger sei es, vom Nutzen für die Kundschaft her zu denken. Was kann helfen in einer komplexen Finanzwelt, die richtigen Entscheidungen zu treffen? Wo kann Technologie unterstützen – und wo ist der Punkt, an dem eine Kundenberaterin oder ein Kundenberater persönlich die richtigen Fragen stellen muss? Diese „digitale Transformation“ anzustoßen, zu begleiten, zu steuern, sei die wesentliche Aufgabe eines „Chief Digital Officers“.

„Wir wissen dabei auch: Wir müssen schnell reagieren können auf neue Wünsche, den sich wandelnden Markt und technische Entwicklungen“, stellt Pranjal Kothari fest. Produktzyklen würden sich zum Beispiel immer weiter verkürzen. Gleichzeitig stiegen in einer digitalisierten Welt die Anforderungen an die IT-Sicherheit immer weiter. „Es reicht nicht aus, per Fingertipp eine Transaktion zu ermöglichen – wir müssen sie auch sicher gestalten, ohne dass unsere Kundschaft viel Zeit investieren muss“, nennt Kothari ein Beispiel. “Denn sie setzen ein hohes Vertrauen in uns“.

Agil und selbstorganisiert zum Erfolg

Strukturen neu zu definieren, digitale Prozesse weiter zu denken, setze dabei auch eine andere, interne Organisation voraus. Nesemann: „Um dies zu erreichen, hat sich die Sparkasse Bremen in ein agiles Unternehmen gewandelt – das erreichen wir mit einer selbstorganisierten Netzwerkorganisation“. Der Start dafür war bereits im Jahr 2019, aber erst das neue Gebäude an der Universität würde diese Form der Zusammenarbeit möglich machen: Klassische Einzel- oder Doppelbüros sind entfallen, an ihre Stellen treten „Heimat-Zonen“ für Teams, an denen aufgabenbezogen gearbeitet werden kann. „Diese Organisation erlaubt es uns, schnell und flexibel mit dem rasanten Wandel von Kundenbedürfnissen umzugehen“, begründet Nesemann das Raumkonzept. „Es ist bemerkenswert, welche Effekte wir mit dieser Netzwerkorganisation erreichen können“, ergänzt Kothari. „Wir merken eine hohe Motivation der Mitarbeitenden, die stark verwurzelt in der Region sind und etwas für ‚ihre‘ Kundinnen und Kunden erreichen wollen.“

Wie sich die Digitalisierung auszahlt

Die Liste der digitalen Projekte, bei denen die Kundschaft von den agil erarbeiteten Lösungen profitieren würden, wird dabei immer länger. So hat ein Team der Sparkasse Bremen einen Chat-Bot mit dem Namen Anna gebaut, der einfache Fragen rund um die Uhr beantwortet – also auch außerhalb der Servicezeiten des Unternehmens. Zusätzlich wähle man auch den Weg von Joint-Ventures, um fachliche und technische Kompetenzen zu verbinden.

„Der ‚Überseehub“ ist dafür ein gutes Beispiel,“ weiß Kothari. Ein Team aus Mitarbeitenden der Sparkasse Bremen und team neusta bündelt dort Expertise aus Finanzen und Digitalisierung. Innerhalb von wenigen Monaten entwickelten sie die Smartphone- und Tablet-App „MANNI – Dein Finanzcoach“. Einmal angemeldet, sortiert die App die Konten, Kreditkarten und Verträge automatisch und übersichtlich – die Benutzenden müssen keine Daten eintippen. Ein weiteres Beispiel für eine Kooperation sei der Robo-Advisor Smavesto – die digitale Vermögensverwaltung, der bereits mehrfach Testsieger wurde.

Zusätzlich fördert die Sparkasse Bremen die Gründungsszene – unter anderem mit dem Bremer Gründungspreis, der Macher Messe oder Investments wie vor kurzem beim Hamburger Startup Etvas. „Etvas bietet eine Technologieplattform an, mit der Banken und Versicherungen ihren Kundinnen und Kunden zusätzliche Dienstleistungen offerieren können“, erläutert Kothari. Seit dem 1. September 2020 steht der Service nun zur Verfügung. „Bei jedem dieser Projekte haben wir uns am Anfang gefragt: Was hat unsere Kundschaft davon?“ sagt der Chief Digital Officer. Denn am Ende ginge es gerade in der digitalen Welt darum, sie jeden Tag ein kleines bisschen besser für die Kundschaft zu gestalten.

Kurzvita Pranjal Kothari

Pranjal Kothari hat berufliche Stationen bei Boston Consulting, Deutscher Börse, HypoVereinsbank/UniCredit, PlanetHome und Deutsche Fintech Solutions absolviert und sich überwiegend mit Strategie- und Transformationsthemen im Finanzsektor beschäftigt. Er bringt umfangreiche Erfahrungen mit Changeprozessen, der Entwicklung von digitalen Produkten sowie der Einführung agiler Methoden mit. Pranjal Kothari ist in Kalkutta geboren und aufgewachsen. Er ist verheiratet und hat einen fünfjährigen Sohn.

Pranjal Kothari im Podcast zum Thema Fintechs und den Veränderungen in der Finanzbranche


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